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Works

Falscher Hase

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Falscher Hase

Falscher Hase ist eine künstlerische Arbeit von Jana Müller, die Recherchen und Forschungsansätze zeigt, um den Prozess dieses Langzeitprojekts (seit 2019) zu fokussieren. Ausgangspunkt sind zahlreich geführte Gespräche mit ihrem Vater, der in der DDR als Kriminalist tätig war. Verbrechen gab es offiziell in diesem Land nicht, dennoch hat ihr Vater viel zu berichten. Jana Müller setzt die Geschichten ihres Vaters ins Verhältnis zur Gegenwart, in der Verbrechen geschehen und zeitgleich in den sozialen Netzwerken angeschaut werden können. Sie begibt sich auf Spurensuche an verschiedene Orte und in diverse Archive, um Material für ihre Forschung zu sammeln. So haben sich zum Beispiel parallel zu den Interviews die Attentate in Christchurch (NZ) und Halle/Saale (D) ereignet. Ein Teil ihrer Familie lebt in Neuseeland, am anderen Ende der Welt, und Jana Müller wurde in Halle/Saale geboren. Die Künstlerin versucht mit dem Aufsuchen und Dokumentieren der unterschiedlichen Orte zeitliche Überlagerungen sichtbar zu machen und zu hinterfragen. Sie arbeitet dabei mit Spuren der Vergangenheit, die in die Gegenwart hineinragen, und kreiert somit eine individuelle, aber auch zeitgleich mit Fakten bestückte kollektive Rekonstruktion von Geschichte. Die Entdeckungen und Freilegungen ihrer Forschung sind im Online Archiv http://falscherhase.jana-mueller.de einsehbar, folgen einem Spurensystem, welches Zeitebenen und Verweise integriert und Ausgangspunkt für Installationen sind.

2022 , work in progress seit 2019 , Wandinstallation, Fine Art Drucke gerahmt, Objekte, Dimension variabel

A DEAD WHALE OR A STOVE BOAT

Jana Müller

A DEAD WHALE OR A STOVE BOAT

A photograph taken on 24 February 2022 at the Canterbury Museum, Christchurch, New Zealand.

Shy Plumber – Anti-War Journal of Art and Anti-Art, Issue III
Download: https://shyplumber.com/

Editors:
Ilya Orlov (Helsinki), Matthew Cowan (Berlin), Andrey Ustinov (Berlin)
Shy Plumber is an independent international art periodical issued in Helsinki and Berlin.
 
 

2022

Falscher Hase | Spur: Stillgelegte Spione (Auszug)

Jana MüllerJana MüllerJana MüllerJana MüllerJana Müller
Falscher Hase | Spur: Stillgelegte Spione (Auszug)

Die Installation ist eine erste Spur aus dem Langzeitprojekt Falscher Hase der Künstlerin Jana Müller.
 
Ausgangspunkt sind zahlreich geführte Interviews mit ihrem 83-jährigen Vater. Dieser war zur DDR-Zeit als Kriminalist tätig. Verbrechen gab es offiziell in diesem Land nicht, dennoch hat ihr Vater viel zu berichten. Seine Geschichten klingen surreal, dennoch irgendwie auch so aktuell im Verhältnis zu den täglichen Geschehen in der Welt.
 
Jana Müller setzt die Geschichten ihres Vaters ins Verhältnis zur Jetzt-Zeit, wo Verbrechen geschehen und zeitgleich auf den sozialen Netzwerken angeschaut werden können. Sie arbeitet dabei mit Spuren der Vergangenheit, die in die Gegenwart hineinragen und kreiert somit eine individuelle aber auch zeitgleich mit Fakten bestückte kollektive Rekonstruktion von Geschichte.
 
Der hier gezeigte Auszug Stillgelegte Spione handelt von einem Ort, an den Vater und Künstlerin gemeinsame Erinnerungen haben, obwohl sie nicht unterschiedlicher sein könnten. Die Erinnerungen eines Kindes und die eines Leiters einer Polizeiabteilung vom Ministerium des Innern der DDR, sowie Heimleiter. Im September letzten Jahres haben beide den Ort aufgesucht. Zusammen versuchten sie über ihre Erinnerungsfetzen die überwucherte Gegend in ihrer architektonischen und inhaltlichen Form zu rekonstruieren.
 
Das Objekt (Zirkelschacht) war erst Unterkunft von Bergarbeitern, kurz nach dem Krieg ein Gefangenenlager, ab ca. 1960 Bezirksaufnahmeheim für Rückkehrer aus nichtsozialistischen Ländern und der Bundesrepublik Deutschland und ab 1990 ein Aufnahmeheim für russische Juden.
 
In der Installation gehen Realität und Inszenierung ineinander über. Die scheinbar wahren Fakten vermischen sich immer wieder, um so neue Spuren beim Betrachter hervorzurufen.
 
Wenn Jana Müller zu einen Elternbesuch fährt, kocht ihr Vater Hackbraten. Dieses wunderbare Ritual gab ihr den Namen für das Projekt Falscher Hase. In gewissem Sinne tritt die Künstlerin in die Fußstapfen ihres Vaters und möchte diesen Fall verfolgen und lösen. Es ergibt sich somit eine Kombination an Beweisen des Persönlichen, des Kriminalistischen und des Künstlerischen.

Ausstellung: "Findungen" in der Galerie des Deutschen Künstlerbundes, Berlin, 2021
 
 

2021 , Mixed-Media-Installation, Dimension variabel

Der Wolf im Schafspelz

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Der Wolf im Schafspelz

Das die deutsche Redewendung „Der Wolf im Schafspelz” ihren Ursprung im Neuen Testament hatte, ist nicht unbedingt jedem geläufig. Die raumgreifende Installation von Jana Müller in der Pförtnerloge STRouX D verwendet nicht nur ein Fell / Pelz als reine Metapher des Tierischen - Unberechenbaren, vielmehr testet die Künstlerin bei ihrer Untersuchung des Ortes und der spezifischen Architektur den Moment des Tarnens oder Verdeckens. Abweisende Gummi- und Kunststofffolien mal transparent, partiell mit Aufdruck oder beige-blickdicht haben hier einen ambivalenten Touch zwischen verschleiern und schützen. Es ist so als würden Reflektionen im Inneren geschützt und gefangen gehalten. Auch Jana Müller ist nicht unbeeinflusst von der aktuellen Pandemie, folglich bekommt diese Arbeit verstärkt durch das Fell eine stark forensisch unheimliche Atmosphäre.

Christof Zwiener

 

2020 , Installation, Glas, Pelzmantel, LKW-Plane, Fensterfolie, LED-Lampen, bedruckte Fensterfolie, Dimension variabel, Einzelausstellung – STRouX, Berlin

For Babette

Jana Müller
2019 , 45 cm x 80 cm, zweiteilig, Gläser bedruckt, gerahmt

Happy Lane

Jana Müller
2020 , 45 cm x 80 cm, zweiteilig, Gläser bedruckt, gerahmt

Traces of Truth

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DIE TOTEN SIND NICHT WIRKLICH, WIE AUCH DIE LEBENDEN NICHT.

 
Das kollektive Gedächtnis, im frühen 20. Jahrhundert von dem französischen Soziologen Maurice Halbwachs als Ableitung des von Émile Durkheim beschriebenen kollektiven Bewusstseins eingeführt – wobei das französische Wort conscience zugleich auch Gewissen meint –, war von Anfang an eng mit der Fotografie verknüpft. Das Medium ist wesentlich als Träger von Informationen über Dinge, Orte und Situationen, wobei es immer auch sinnstiftende Funktionen übernimmt. So lassen sich beispielsweise die Mehrzahl frühkindlicher Erinnerungen nicht etwa auf wirkliche Gedächtnisleistungen zurückführen, sondern darauf, dass man sich selbst auf Familienfotos gesehen hat. Souvenirs beziehungsweise mit bestimmten Erzählungen verbundene Objekte komplementieren diese Konstruktionen mit der Logik des Indizienbeweises.
 
An dieser Stelle setzt die Arbeit von Jana Müller an. Schon im Studium begann sie systematisch Bildarchive zu unterschiedlichen Objektgruppen anzulegen. Häuser und Fabriken, die verlassen und ausgeschlachtet einer ungewissen Zukunft harren, gehören genauso dazu wie die leergeräumte Schrankwand des eigenen Elternhauses. Irgendwann fanden auch die Dinge den Weg aus den Bildern ins Atelier. Es begann der Prozess zunehmender Abspaltung des Abbildes von der Realität, die Bilder entwickelten mehr und mehr ihr Eigenleben.  In Traces of Truth sind sie parallel oder gemeinsam mit den Dingen im beengten Milieu aquarienhafter Kuben oder zwischen Glasscheiben wie Proben unterm Mikroskop präsentiert und nehmen damit den Charakter von Indizien an, die ein Spiel mit den Assoziationen der Betrachter in Gang setzen. Analog zu einer starken Hinwendung der jüngeren Forschung zur materiellen Kultur – etwa in den Feldern Ethnologie, Archäologie oder Soziologie – erscheinen Objekte in dieser Konstellation als eigenständige Handlungsträger oder Akteure. Dinge rücken nicht mehr nur als Gegenstände des Gebrauchs in den Blick, sondern auch als Produzenten von Erkenntnissen und Erinnerungen, Bedeutungen und Werten. Angesichts ihres Gespürs für die Wirksamkeit von Dingen und Bildern war die inhaltliche Hinwendung der Künstlerin zum Verbrechen und seiner Aufklärung durch Beweismittel konsequent. Aber was bedeutet es, wenn Asservate oder polizeiliches Anschauungsmaterial ausgerechnet in einer Kunstausstellung auftauchen? Wenn Kunst sich auf die Spur des Verbrechens begibt?
 
Das öffentliche Interesse an echten Tatorten und Beweisobjekten aller Art jedenfalls ist immer groß. In der Ausstellung Traces of Truth folgt Jana Müller dieser Neugier in Bildern, Kollagen und Installationen. Doch entgegen dem Titel der Ausstellung handeln weder ihr neuer Film Spuren (28 min, 2019) noch die zentrale Installation A–Z | Es gibt nichts, was es nicht gibt (2015/2019) von der Suche nach einer wie auch immer gearteten Wahrheit. Vielmehr greift die Künstlerin die Faszination für wissenschaftliche Polizeiarbeit auf, wie sie sich in so vielen medialen Formaten niederschlägt, und entwickelt dies für ihre Zwecke weiter. Seit 2015 hat sie dafür in den Asservatenkammern der Republik – oft triviale Orte wie Garagen und leerstehende Geschäfte – unzählige Beweisstücke und die Art ihrer Verwahrung dokumentiert. So banal die einzelnen Objekte oft sind, der Lack des Bösen ist noch nicht ab. Genau wie die entsprechenden Fernsehserien, Podcasts und True Crime Novels rührt Jana Müllers Phänomenologie des Beweises an voraufklärerische Affekte. Doch anders als jene medialen Verarbeitungen versagt die Inszenierung den Betrachter*innen die Narration, die Erklärung und Aufklärung von Verbrechen. Konsequent werden einzelne Objekte isoliert, ihr asozialer, randständiger Charakter unterstrichen, andere bringt die Künstlerin in bühnenhaften Szenerien in neue Zusammenhänge. Jedes Bild, jede Installation wird so zur Keimzelle sublimer Vorstellungen, die den Dingen geradezu eschatologische Dimensionen verleihen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Das Resultat sind Fiktionen, die keinesfalls mit Fakes gleichzusetzen sind. Der Unterschied liegt darin, dass im besten Falle Fiktionen das aufzeigen können, was das Fake verschleiern will.
 
Ein zentrales Element in Müllers Erzählstrategie sind Glasplatten, auf denen die Künstlerin die Fundstücke am Boden und auf Tischen arrangiert. Erinnern sie zunächst an die Objektträger des Mikroskops oder die Vitrinen des naturhistorischen Ausstellungssaals, erweisen sie sich auf den zweiten Blick als keineswegs so versachlichend und neutralisierend: Auf die Platten sind monochrome, schemenhaft durchsichtige Abbildungen einzelner Beweisstücke gedruckt. Wie Nachbilder oder verblasste Erinnerungen schweben sie in einer scheinbar gasförmigen Hell-Dunkel-Existenz über und hinter ihren real präsenten Pendants. So wird den Dingen Aura verliehen. Die faktischen Objekte und unsere Vorstellung über sie werden in diesem visuellen Auftritt untrennbar miteinander verschnitten. So entstehen Mutmaßungen und Theorien, die eine Differenzierung hinsichtlich Herkunft und Kontext der Dinge weder erlauben noch brauchen.
Ähnlich geht die Künstlerin in dem Film Spuren vor. Ausgangsmaterial ist ein Lehrfilm der Polizei aus den 1950er Jahren. Die Architektur des aktuellen Filmbildes ist wieder eine doppelte, denn sie zeigt, in strenger Symmetrie, das historische Filmdokument samt dem Abspielgerät des Archivs als Projektion auf der Wand. In dieser Präsentation wirkt die Quelle, als kleines Bild im Zentrum das einzige Bewegte im Film, wie eine Mischung aus Altarbild und Puppentheater. Der Ton ist dem realen Ausstellungsraum zugeordnet und verwandelt diesen in eine akustische und visuelle Einheit von irritierender Intensität. Ein weiteres Mal kippt das Verhältnis von Bild und Objekt in den drei parallel projizierten Sequenzen desselben Films, in denen wie unter einem Vergrößerungsglas Hände unermüdlich versuchen, Scherben zusammenzusetzen, die – sicher nicht zufällig – zu einem Spiegel gehören. Auf einen an einer Wand lehnenden Stapel Glasscheiben projiziert, die vormals die Objekte aus Leichter Krimi (2010, neue Version 2019) trugen, existiert das Gefilmte jetzt nur mehr als Bild zwischen den Scheiben.
 
Unabhängig vom jeweiligen Aggregatzustand setzt sich überall in der Ausstellung eine suggestive Metaerzählung durch, die sich daraus speist, dass alle Objekte dem Bereich des Amoralischen entstammen und allein schon als Zeugnisse der Grenzüberschreitung faszinieren. Diese Dinge scheinen einen direkten Blick auf das Böse zu erlauben, auf undurchschaubare Machtapparate, auf Neben- und Parallelwelten. Gewiss, man mag sich beim Betrachten bei der eigenen voyeuristischen Lust ertappt fühlen, im Grunde genommen sind Neugier und Sensationslust aber doch zwei Aspekte eines der wichtigsten Grundimpulse zivilisatorischer Entwicklung – und etwas höchst Verbreitetes. Sie verleiten allerdings auch dazu, sich im anekdotischen Detail zu verlieren und so einen wichtigen Subtext von Traces of Truth zu übersehen. Jana Müller nimmt nämlich einen Forschungsstrang auf, den der Dresdner Staatsanwalt Erich Wulffen schon im letzten Jahrhundert in seinen Aufsätzen zur Kriminalpsychologie (Psychologie des Verbrechers, Berlin 1908/1913) begann und der erstmals mit wissenschaftlichem Anspruch Erkenntnisse der Psychologie in die Kriminologie einführte. Wulffen konstruierte damals einen Zusammenhang zwischen schöpferischer Kraft und krimineller Energie und vermutete interessanterweise, dass die triebhafte Egozentrik von Künstler*innen derjenigen von Psychopath*innen und Kriminellen gleiche, Ersteren in ihrer künstlerischen Arbeit und dem Werk aber eine objektive und sachliche Möglichkeit der Sublimierung zur Verfügung stehe. Für Müller schließt sich hier die Kernfrage an, inwieweit kriminelle und künstlerische Normverletzungen aktuell vergleichbar sind – und wie Bewusstsein oder Gewissen der Betrachter*innen auf die direkte Konfrontation mit den Bildern und Objekten ansprechen, wenn diese nicht mehr in ihre früheren Narrationen eingebettet sind.
 
Susanne Prinz
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

2019 , mixed-media-Installation , Ausstellung im Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin

A-Z | Es gibt nichts, was es nicht gibt

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2019 , sechs Schautafeln mit Fotografien und Text, gerahmt hinter Glas, je 130cm x 180cm x 5cm, vier Präsentationstische je 90cm x 125cm x 75cm, Holz, Farbe, Glas, bedrucktes Glas, Asservate , Dimension variabel

Spuren

Jana Müller
2019 , Video, 28:00 min

Das Material der klugen Köpfe

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Auf der Basis des Archivs der Ludwig Edinger-Stiftung Frankfurt ist die Installation mit dem doppeldeutigen Titel Das Material der klugen Köpfe entstanden. Dieses Archiv umfasst unter anderem eine große Porträtsammlung namhafter Neurologen vom 16. bis in das 20. Jahrhundert. Für die Künstlerin stellten sich generell die Fragen, wer und was warum vergessen wurde und wie kann sie mit der Materialfülle umgehen? Zumal in dieser Hinterlassenschaft eine politische Dimension von Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus liegt, die mit den Namen Hugo Spatz und Julius Hallervorden verbunden ist. Beide waren aktiv in das nationalsozialistische Euthanasie Programm eingebunden. Die Installation ist mit einer langen Arbeitsplatte und den darauf projizierten Porträts formal an ein Seziertisch und ein Mikroskop angelehnt. Untersucht wird hier jedoch kein menschliches Gewebe, sondern Archivmaterial. In Analogie zu den Methoden der Untersuchung menschlichen Hirngewebes sind die Projizierten Köpfe angeschnitten und eingefärbt. Während diese Bilder durch ein zersprungenes Glas in der Wahrnehmung gestört werden, lassen sich auch die vielen im Archivmaterial aufgelisteten Namen, die auf Glasplatten gedruckt wurden und sich an der Arbeitsplatte anlehnen und überschneiden, nur mühsam entziffern. Zwei mit Fotos aus dem Archiv bedruckte Papierbahnen auf dem Tisch werden von fragmentierten Reproduktionen auf Glasplatten gehalten. Sie zeigen die Bildnisse von Hugo Spatz und Julius Hallervorden. Auf dem Tisch liegt eine undefinierbare Masse.

Ausstellung: Vergessen - Warum wir nicht alles erinnern, Historisches Museum Frankfurt/Main, 2019
Kurator*innen Jasmin Alley und Kurt Wettengl

 

2019 , Installation, Glas, Metall, Holz, Farbe, bedruckte Glasscheiben, Fine Art Prints, 270cm x 180cm x 210cm

ON ROUGH DIAMONDS

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On Rough Diamonds ist eine Ausstellung, welche den gesamten Raum der Galerie durch eine Reihe von Einzelwerken umfasst. Zusammen bilden sie eine Gesamtinstallation zu den Themen mit der sich die Künstlerin
beschäftigt: ihre Recherche und künstlerische Praxis verweist auf viele Parallelen zu den Herangehensweisen der Kriminologie und Forensik. So führt die Ausstellung den Besucher in einen hypothetischen Tatort, an dem Gegenstände und Bilder als geheimnisvolle Spuren von Indizien erscheinen. Sie fordern den Betrachter auf, sich auf die Suche nach deWahrheit oder scheinbaren Wahrheit zu machen, die sich hinter ihnen verbirgt. Jana Müller scheint von den dunklen Seiten von Mensch und Gesellschaft sowie von allen Manifestationen des Unbewussten und Unheimlichen angezogen zu werden, besonders wenn sie hinter der Fassade der Normalität lauern. Soziale Katastrophen und kollektive Ängste in ihrer Beziehung zu den Medien geben ihrer Arbeit Kraft, die wie eine Untersuchung mysteriöser Ereignisse zwischen Realität und Fiktion aussieht. Es werden neue
fotografische Arbeiten präsentiert, die einige der früheren Installationen der Künstlerin abbilden, um einen weiteren Kurzschluss, ein Spiegelspiel, zu schaffen. Müllers künstlerisches Werk wird selbst zum Beweis einer neuen fiktiven Erzählung, die sich nur bis zu einem gewissen Grad offenbart, niemals völlig. Die Erforschung der Wahrheit ist das eigentliche Thema der Künstlerin, wie ein seltener Rohdiamant, der den Menschen ebenso wie die Künstlerin zum ständigen Graben und Verhören drängt.     

Paolo Maria Deanesi

 

2017 , mixed-media-Installation, Ausstellung Paolo Maria Deanesi Gallery

They were always happy / They were never happy I and II

Jana MüllerJana Müller
2017 , Objekt, Textil, Glas, 50 cm x 110 cm x 14 cm und 70 cm x 90 cm x 14 cm , Ausstellungsansicht: Paolo Maria Deanesi Galerie

Talisman

Jana Müller

Die Künstlerin Jana Müller entwarf im Rahmen der Ausstellung „Hidden View“ ein magisch künstlerisches Konzept: In Anlehnung an die historischen Besonderheiten des Spielplatzes Hermann-Steinhäuser-Str./ Christian-Pleß-Straße in Offenbach, der einst ein Richtplatz war, bietet sie Talismane zum Erwerb an, die Glück (wenn man daran glaubt) ins Heim bringen sollen: Die Überlieferungen und Gerüchte darüber, dass die Offenbacherinnen und Offenbacher einst Holzsplitter des stillgelegten Galgens als Glücksbringer mitnahmen, verarbeitete die Künstlerin weiterführend konzeptuell: Kleine Tütchen mit von ihr handverlesenen Fundstücken vom sich dort nun befindlichen Spielplatzes können als Talismane, limitiert auf 300 Stück, gegen einen kleinen symbolischen Obolus erworben werden. Jana Müller beschreibt die Glückbringer in einem aufwendig gestalteten „Glücksbringer-Beipackzettel“ folgendermaßen:

„Den am ehemaligen Rabenstein in Offenbach gesammelten Objekten werden geheimnisvolle magische Käfte nachgesagt. Bewahrt man diese Gegenstände im Haus auf, gelten sie als glücksbringend für die ganze Familie. Jedoch sollte man sie sehr vorsichtig und respektvoll behandeln, außerdem gut pflegen, ansonsten bringen sie Unheil und Verderben. Am Wichtigsten ist es, dass die Objekte immer sichtbar sind und nicht in Schubladen oder Kisten verschwinden. Werden sie mit der Tüte an einer Wand im Haus aufgehängt, entfalten sie die Kraft zur Gegenliebe. Verliert man den Glauben an sie, sollte man sie gewinnbringend verkaufen. Falls die Glücksbringer drei Mal in Folge an andere Personen verschenkt werden, verlieren sie ihre Kraft und bringen Unglück.“

Die Talismane sind der zweite Teil der Arbeit, welche Jana Müller für Hidden View entwickelt hat. Rund um und auf dem Spielplatz im Senefelder Quartier hängen bedruckte Bündel aus LKW Planen und Textilien in den Bäumen. Jede Lage dieser seltsamen Früchte („Fruits“) präsentiert eine recherchierte Geschichte rund um den Richtplatz und um die Geschichte der Hinrichtungsstätten allgemein bis hin zur Jetztzeit. Die Windungen der einzelnen Bahnen lassen stets nur einen Teil des Bildes erahnen und wirken damit wie archäologische Fundstücke, die erst in ihrer Zusammensetzung eine spezifische Geschichte preisgeben.

Hidden View, Offenbach, 2016

2016 , Talisman, diverse Fundstücke, Plastiktüte, bedruckte Postkarte, 16 cm x 24 cm, Auflage 300

Fruits

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2016 , Gesamtinstallation 7 Objekte, bedruckte LKW-Planen und Textilien, 7 bedruckte Namensschilder, Dimension variabel , Dokumentationsansicht: Ausstellung Hidden View, Offenbach

A-Z / Es gibt nichts, was es nicht gibt

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A-Z / Es gibt nichts, was es nicht gibt

Während sie in ihren früheren Installationen Spuren fiktiver Tatorte inszeniert hat, bezieht Jana Müller in ihrem aktuellen Projekt „A–Z / Es gibt nichts, was es nicht gibt“ Relikte tatsächlicher Verbrechen in die Arbeit mit ein. Den Ausgangspunkt bilden dabei Asservate. Von lateinisch asservare („verwahren“) abgeleitet, bezeichnet dieser Begriff einen Gegenstand, der im Rahmen eines Strafverfahrens als Beweismittel beschlagnahmt und in einem speziell gesicherten Raum aufbewahrt wird.
Was dort alles vorzufinden ist, vermittelt der Titel der Arbeit, der die Worte eines Oberstaatsanwalts aufgreift. Die Künstlerin hat bisher die Asservatenkammern der Staatsanwaltschaft in Oldenburg, Lüneburg, Hildesheim, Frankfurt/Main, Karlsruhe und Halle/Saale besucht und dokumentiert. Diese „Archive des Verbrechens“ fungieren zugleich als Untersuchungsgegenstand und die Grundlage des Werkprozesses. Wie lässt sich diese Parallelwelt der Dinge, mitsamt den unsichtbaren Geschichten, die in sie eingeschrieben sind, erkunden und repräsentieren?
Bei der Begehung dieser Orte beobachtet und fotografiert Jana Müller sowohl die einzelnen Gegenstände als auch das Ganze, mit besonderem Augenmerk auf die zugrundeliegenden Ordnungssysteme und Verwaltungsweisen des Verbrechens.
Ferner sammelt sie Erinnerungen der Mitarbeiter der Asservatenkammern, die als Grundlage von Kurzgeschichten dienen. Diese kreisen um eine bestimmte Art von einstmaligen Asservaten, nämlich Kunstgegenstände, die auf verschiedenen Wegen einen neuen, unbekannten Kontext gefunden haben. In der Ausstellungsinstallation wird dieses Nebeneinander von Bildern, die stumme Dinge-als-Spuren zeigen und Texten, deren Bezugspunkt unsichtbar bleibt, durch „reale“ Gegenstände aus Asservatenkammern ergänzt. Der Betrachter begegnet Fragmenten und Momenten aus Migrationsprozessen der Asservate. Jener Dinge also, die in starkem Maße von wiederholten Ent- und Rekontextualisierungen gekennzeichnet sind. Somit entsteht ein wechselwirkungsreiches Ensemble aus verschiedenen Darstellungs-, Evokations- und Inszenierungsformen, das den Kreislauf der Dinge im Allgemeinen sowie unseren Zugang zu ihnen thematisch werden lässt. 
 
Vanja Sisek, 2016

2016 , work in progress seit 2015 , Ausstellungsansicht „loose control“, Montagehalle, Braunschweig

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